Start-ups und Etablierte: eine Win-win-Situation?


Viele Unternehmen sind zu schwerfällig und zu eingefahren in ihren Innovationsprozessen, um die Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet, für innovative Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle zu nutzen. Das spielt den Start-ups in die Hände, die etablierten Unternehmen häufig das Wasser abgraben. Während Start-ups auf Geschwindigkeit setzen, kunden- und datengetrieben handeln, werden den Etablierten ihre bisherigen Tugenden Sicherheit, Qualität und Perfektion zur Last.

Können Kooperationen mit Start-ups oder auch der Kauf eines Start-ups den etablierten Unternehmen dabei helfen, agiler, digitaler und innovativer zu werden?

Ja, wenn alle Parameter stimmen. Die Zusammenarbeit oder der Kauf kann aber auch in einer Katastrophe enden. Wenn das passiert, dann meistens, weil das etablierte Unternehmen versucht, das Start-up in die eigene Organisation zu integrieren. In solchen Fällen prallen zwei Kulturen aufeinander, die grundverschieden sind. Wenn das Start-up in die fremde Kultur gezwungen wird, verliert es seinen Start-up-Charakter und kann seine Aufgabe als revolutionärer Innovator nicht mehr erfüllen. Der zweite Grund, aus dem die Beziehung scheitert, ist fehlender Respekt des etablierten Unternehmens bzw. einer Repräsentanten gegenüber dem Start-up. Es wird nicht auf Augenhöhe kommuniziert.

Sich die Unterschiede bewusst machen

„Ein Start-up ist NICHT die kleine Version eines großen Unternehmens“, schreibt Johannes Ellenberg in seinem Buch „Der Startup Code“. Damit weist er auf den gravierenden Unterschied zwischen etablierten Unternehmen und Start-ups hin, denn alles, was ein etabliertes Unternehmen ausmacht – Geschäftsmodell, Produkte, feste Strukturen und Prozesse, Kunden – hat das Start-up (noch) nicht. Es hat nur eine Idee, die sich erst entwickeln und am Markt beweisen muss. Allerdings können innerhalb des Unternehmens an der einen oder anderen Stelle mithilfe der Methoden und Managementansätze des Start-ups Oasen geschaffen werden, die das etablierte Geschäft flexibler, das Unternehmen insgesamt schneller und veränderungsbereiter machen.

Ein weiterer Unterschied ist der Innovationsprozess. Etablierte Unternehmen betreiben häufig kontinuierliche Innovation. Sie verbessern und perfektionieren bestehende Produkte immer weiter. Start-ups dagegen betrachten sich als Problemlöser für den Kunden und erschaffen häufig völlig neue Lösungen und Geschäftsmodelle. Das nennt man disruptive Innovation. Damit dringen sie in die Märkte ein, wirbeln sie durcheinander und setzen völlig neue Standards. Meistens spielen dabei digitale Technologien eine entscheidende Rolle.

Ein Beispiel: Flix, anfangs Flixbus, hat in nur wenigen Jahren renommierte und große Fernreisebus-Unternehmen aufgekauft, ohne einen eigenen Bus zu besitzen oder Busfahrer zu beschäftigen. Mittels digitaler Technologie und Datenkompetenz ist es Flix gelungen, sich die Schnittstelle zum Kunden zu erobern. Der Kunde bucht und zahlt bei Flix. Die etablierten Busunternehmen fahren mit ihren Bussen für Flix. Flix hat nur einen Bruchteil der Kosten, die in einem traditionellen Busunternehmen anfallen. Hinzu kommt, dass sich das Geschäftsmodell beliebig skalieren lässt.

Nichts dem Zufall überlassen

Wichtig ist eine klare Definition der Suchfelder und Interessensgebiete des Unternehmens. Bevor man sich auf die Suche nach einem Start-up für eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit macht, sollte man sich überlegen, was man überhaupt erwartet:

  • Inspiration und frische Ideen?
  • Impulse für die Mitarbeitenden?
  • Zugang zu neuen Technologien?
  • Zugang zu Fachkräften mit IT- und Datenkompetenz?
  • Kontakt mit potenziellen Nachfolgern?
  • Zugang zu neuen Märkten?
  • Einblick in agile Arbeitsweisen und -methoden?
  • Innovationen?

Die Start-up-Szene entdecken

Um sich mit der Start-up-Szene vertraut zu machen und erste Eindrücke zu gewinnen, empfiehlt sich zum Beispiel der Besuch von Hackathons zu Themen, die für das Unternehmen interessant sind. Viele Branchenverbände und IHKs veranstalten solche Treffen. Es gibt Agenturen, die Unternehmen dabei helfen, Hackathons zu den eigenen Interessensgebieten zu veranstalten.

Mit professionellem Scouting kann das Unternehmen gezielt entlang festgelegter Interessensfelder weltweit auf Start-up-Suche gehen. Dafür werden Datenbanken, Software, Veranstaltungen und Start-up Scouting Analysts. Sind passende Start-ups ausgewählt, stellen sie sich im Unternehmen vor.

Erwartungen, Ziele und Rahmenbedingungen abstecken

  • Nicht vergessen sollte man, dass nicht nur das etablierte Unternehmen Erwartungen an die Zusammenarbeit hat, sondern auch das Start-up. Es erhofft sich möglicherweise eine Investition oder Zugang zu den Ressourcen des Unternehmens, Kontakte zu dessen Kunden oder Marketingunterstützung. Das muss geklärt werden, bevor die Zusammenarbeit überhaupt startet.
  • Anschließend sollte geklärt werden, wie die Zusammenarbeit aussieht und wie sie sich perspektivisch entwickeln soll. Die Formen der Zusammenarbeit reichen von einer punktuellen Zusammenarbeit in Projekten über die klassische Kooperation bis hin zu Joint Ventures, Kauf oder Beteiligungen. Je enger die Zusammenarbeit, desto sorgfältiger sollten die gegenseitigen Erwartungen, Ziele und Rahmenbedingungen geklärt werden.
  • Projektziele, Projektbudget, Zeitrahmen, rechtliche Regelungen zum Schutz von Know-how und Betriebsgeheimnissen müssen definiert werden. Auch Exit-Strategien für beide Seiten sollten nicht vergessen werden. Klare, schriftlich niedergelegte Regeln vermeiden Misstrauen.


Wichtig:
Selbst, wenn ein Start-up und sein Arbeitsgebiet zum Unternehmen passen, muss man es nicht gleich kaufen, sondern kann eine entsprechende Form der Zusammenarbeit finden. Vor der Hochzeit kommt schließlich auch die Verlobung.

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